Dumme Frage, werdet ihr sagen. Natürlich kann man. Und frau auch. Aber wie reagieren die Mitmenschen inzwischen darauf? Noch vor wenigen Jahren bildeten Menschen in kompletter Latexmontur eher die Ausnahme. Joachim, ein 82-jähriger Latexfetischist, erinnert sich noch an Zeiten, wo Fetischisten sich erst auf den Partys umgezogen haben, weil niemand sich getraut hat, sich schon auf dem Weg dorthin in Latex zu zeigen. „Heute kannst du zumindest in straßentauglicher Latex- oder Gummikleidung auf die Straße gehen“, meint er in unserem Gespräch, das wir für mein Buch „Nicht normal“ ist ganz normal geführt haben (wtp-verlag, seit dem 27.04. im Handel, Kapitel „Gelebte (Latex-) Geschichte“).
Ich will selber wissen, wie die Menschen heute reagieren. An einem ziemlich kühlen Märztag schlüpfe ich in ein schwarzes Latex-Catsuit und schwarze Lackstiefel und mache mich auf den Weg in die Landsberger Innenstadt. Landsberg ist mit seinen knapp 30.000 Einwohner zwar nicht München oder Augsburg, doch groß genug, um auf viele Menschen zu treffen. Der Anzug steht mir echt gut, finde ich und genieße die eng anliegende zweite Haut. Wenn es nur nicht so kalt wäre!
Da ich für mein Buch auch Fotos von Latex im Alltag machen möchte, bitte ich eine liebe Freundin, mich mit der Kamera zu begleiten. Um mein Outfit zu komplementieren, setze ich mir noch eine Latexmaske auf, die mein komplettes Gesicht verdeckt. Nur ein blonder geflochtener Zopf ragt aus der Maske heraus.
Als wir an einem ziemlich belebten Einkaufszentrum aus dem Auto steigen und anfangen, auf dem davor liegenden Parkplatz Fotos von mir mit einem Einkaufswagen und vollen Einkaufstaschen zu machen, bemerke ich, wie die ersten Menschen anfangen zu lachen und ihre Kameras zu zücken.
„Ist das für einen Film?“, fragt ein älterer Mann, den ich auf Mitte 70 schätze.
„So ähnlich. Das ist ein Fotoshooting“, antworte ich. „Und so etwas macht ihr in Landsberg und nicht in München?“, fragt der Mann freundlich weiter. Ich weiß nicht, was für Bilder in seinem Kopf abspulen, aber ich vermute stark, dass er bei „Film“ an Pornografie gedacht hat.
„KitKat-Club?“ ruft schon die nächste Frau quer über den Parkplatz und zeigt mir mit ihrer Thumbs-up-Geste, dass ihr mein Auftritt gefällt.
Andere wie die Angestellten des Supermarkts grinsen und machen aus der Entfernung Fotos mit ihrem Handy.
Okay, denke ich, negative Reaktionen gibt es schonmal keine. Aber die Leute finden meinen Look offensichtlich kurios und verbinden diesen wohl eher mit Sexualität als mit einem ganz normalen Straßenoutfit.
Dann will ich mir eine Portion Pommes holen. Der Mann an der Dönerbude ist sichtlich irritiert. Als ich ihn frage, ob wir ein paar Fotos an seinem Stand machen dürfen, lächelt er peinlich berührt und winkt ab. Dass er mein Gesicht unter der Maske nicht erkennen kann, scheint ihm nicht geheuer zu sein.
Liegen diese Reaktionen also eher an meiner Maske als am Latex an sich? Irgendwie kann ich verstehen, dass es die Menschen befremdet, mein Gesicht nicht sehen zu können. An die Mund-Nasenmasken, die wir während der Pandemie tragen mussten, haben wir uns offensichtlich schon gewöhnt. An komplette Gesichtsbedeckungen noch nicht.
Also probiere ich aus, wie die Reaktionen ausfallen, wenn ich die Maske vom Kopf nehme.
Den nächsten Supermarkt betrete ich nur noch in Latexanzug und den Plateauschuhen. Und siehe da: Kein Mensch reagiert. Ich bin selber ganz erstaunt. Aber kein Mensch dreht sich um, tuschelt oder lacht. Manche streifen mich mit ihren Blicken, um sich danach desinteressiert wieder ihren Einkäufen zu widmen. Das war’s.
Es scheint also wirklich nur an der Maske zu liegen, dass mich vorher so viele Menschen angestarrt haben.
Das nächste Mal werde ich es ohne Kamera probieren. Solange alle sehen konnte, dass es sich um ein Fotoshooting handelt, blieben die Reaktionen amüsiert, aber freundlich. Wie wird es sein, wenn diese schützende Begleitung wegfällt?
To be continued…
Machen Sie mit!
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